Umwelt

Warum Circular Economy
nicht vorankommt

Circular Economy scheint im heutigen politischen Diskurs allgegenwärtig – zumindest in Reden. Wenn es aber darum geht, durch Gesetze und Verordnungen den Einsatz von Sekundärstoffen zu erleichtern, werden die Chancen regelmäßig vertan. Im Ergebnis bleiben Zielkonflikte oft ungelöst und die umweltpolitische Außendarstellung inkonsistent.

Im Baubereich werden mineralische Bauabfälle seit Jahrzehnten wiederverwertet und einer neuen Nutzung zugeführt. Primärrohstoffe werden so geschont und Deponien entlastet. Verwertungsquoten von 90 % und mehr belegen, dass weitgehend geschlossene Stoffkreisläufe erreicht sind. Als 2006 das Bundesumweltministerium die Aufgabe übernahm, die Verwertung mineralischer Sekundärstoffe bundeseinheitlich neu zu regeln, war es ein Ziel, diese Quoten möglichst noch zu steigern. Mit welchen Widerständen diese Aufgabe verbunden war, hat aber wohl niemand vorhergesehen. Es brauchte 15 Jahre, bis ein Kompromiss im Zielkonflikt zwischen dem Boden-/Gewässerschutz, mit der Forderung nach strengeren Umweltgrenzwerten, und der Kreislaufwirtschaft, die ausreichende Verwertungsmöglichkeiten fordert, gefunden werden konnte.

82 Mio. t
mineralische Bauabfälle stehen jährlich als Substitute zur Verfügung
Ansprechpartner
Dr. Berthold Schäfer, Geschäftsführer Technik
b.schaefer@bvbaustoffe.de

Unmittelbar vor der Verabschiedung hat das Bundesumweltministerium allerdings noch zwei Paragrafen aus der Mantelverordnung gestrichen, um deren Inhalte nun erneut gerungen wird. Die Paragrafen enthielten Regelungen zum Ende der Abfalleigenschaft und hatten neben einem hohen symbolischen Wert in Bezug auf die Akzeptanz auch einen inhaltlich fundierten Hintergrund. Denn das Fachkonzept besteht aus zwei Leitplanken: der Schadstoffbewertung der Sekundärstoffe und darauf abgestimmten Einbauvorgaben. Alle Kombinationen erfüllen dabei dasselbe hohe Schutzniveau für Mensch und Umwelt. Doch es ging dem Ministerium schon damals zu weit, zahlreiche Kombinationen aus dem Abfallregime zu entlassen.

Wiederbelebte zielkonflikte

Die Streichung war verbunden mit der Zusage, umgehend eine Verordnung zum Ende der Abfalleigenschaft zu erarbeiten. Umgehend scheint aber ein dehnbarer Begriff zu sein, denn bis heute gibt es nur ein knappes Eckpunktepapier des Ministeriums. Doch bereits das zeigt: der alte Zielkonflikt ist wieder aufgebrochen. Es sollen nämlich noch weniger Ersatzbaustoffe das Abfallende erreichen können als zunächst vorgesehen. Zudem soll das Abfallende ausschließlich an die Einbauweisen der Mantelverordnung gekoppelt werden.

Das wiederum kann nicht das Ziel einer Abfallende-Verordnung sein, denn die Mantelverordnung regelt ausschließlich Verwertungen im Tiefbau. Das Bundesumweltministerium kommuniziert aber – wie die gesamte Politik – Circular-Economy-Ansätze umsetzen zu wollen. Damit ist vor allem gemeint, Sekundärstoffe wieder in den Produktkreislauf zurückzuführen. Verwertungen im Tiefbau werden völlig unbegründet als Downcycling abgewertet: Die Wirtschaft solle alles daransetzen, Sekundärstoffe im Upcycling, d. h. in der Produktherstellung, zu nutzen. Eine große Hürde stellt dabei aber der Abfallstatus dar, denn mit den Sekundär-stoffen zieht das Abfallrecht in den Produktionsbetrieb ein und führt zu erheblichem Mehraufwand, z. B. bei Genehmigungen. Eine Abfallende-Verordnung für mineralische Sekundärstoffe sollte daher zwei Punkte anders regeln als bisher vorgesehen: Erstens sollten die Regelungen auf eine Verwertung außerhalb der Mantelverordnung abstellen, damit die Rückführung in den Produktionsbetrieb einfach möglich ist. Zweitens sollten möglichst viele Sekundärstoffe das Abfallende erreichen, denn nur bei ausreichender Verfügbarkeit qualitativ geeigneter Sekundärstoffe können Produktionsbetriebe ihre gleichbleibenden Prozesse darauf ausrichten.

zuviel politische skepsis

Das wenig ambitionierte Eckpunktepapier zum Abfallende mineralischer Sekundärstoffe verdeutlicht, dass das Ministerium sogar den Qualitätsanforderungen skeptisch gegenübersteht, die es selbst zum Schutz von Mensch und Umwelt entwickelt hat. Gleichzeitig aber zu fordern, diese Sekundärstoffe in Produkten einzusetzen, die später in Wohnzimmern verbaut werden, ist nicht nachvollziehbar. Der ungelöste Zielkonflikt führt daher zu einem weitgehenden Stillstand bei den Bestrebungen, Circular Economy im Baubereich substanziell voranzubringen.

Es wäre wünschenswert, wenn das Bundesumweltministerium im Zusammenhang mit der Nationalen Kreislaufwirtschaftsstrategie Primär- und Sekundärstoffe zusammendenken würde, damit Stoffströme zukünftig genau dort eingesetzt werden, wo sie den größten Vorteil in Bezug auf Umwelt, Klima- und Ressourcenschutz leisten. Der bbs hat seine Vorschläge dazu an das Ministerium übermittelt.

— Veröffentlicht im Juni 2024 | FOTO: HEIDELBERG MATERIALS / STEFFEN FUCHS

Links

 Kreislaufwirtschaft Bau
↗  Stellungnahme zu den Eckpunkten einer Abfallende Verordnung
  Hinweise zur Kreislaufwirtschaftsstrategie 

Botschaften

Rund 90% aller mineralischen Bauabfälle werden verwertet

Rahmenbedingungen schaffen, um Bauabfälle schneller in den Produktkreislauf zurückzuführen

Sekundärstoffe durch technologieoffene Ausschreibungs- und Vergabeverfahren fördern
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