Energie und Klima

Unser Ziel ist die klimaneutrale Baustoffproduktion

Wie können wir die industrielle Produktion mineralischer Roh- und Baustoffe in Deutschland erhalten und gleichzeitig den Energiebedarf und CO2-Ausstoß spürbar senken? Diverse Sektor-Roadmaps zeigen bereits seit Jahren einen Weg auf. Doch wie steht es um die politischen Rahmenbedingungen in der Zeitenwende? Ein Zwischenfazit.

bbs-Branchen stellen Grundstoffe her, die Voraussetzung einer jeden modernen Volkswirtschaft sind. Ohne mineralische Roh- und Baustoffe wäre unsere Lebensqualität kaum erreichbar. Infrastrukturen und Straßen könnten nicht gebaut werden, die Versorgung mit sauberem Trinkwasser wäre gefährdet, der Bau moderner, energieeffizienter Wohnungen nicht möglich und die Produktion in verwandten Branchen wie zum Beispiel der Stahlindustrie geriete ins Stocken. Die Kehrseite der Medaille ist der (noch) hohe Ausstoß von CO2 in der Produktion. Lebensqualität erhalten, Produktion dekarbonisieren ist somit das seit Jahren entschlossen verfolgte Ziel. Die von bbs-Branchen veröffentlichten Roadmaps haben klare Anforderungen definiert, was es für eine klimaneutrale Produktion braucht. Darunter wettbewerbsfähige Energiepreise, eine CO2-Infrastruktur, ausreichend grüne Energie und günstige Investitionsbedingungen. Werfen wir einen Blick auf die aktuelle Lage:

23 TWh
beträgt der geschätzte Bedarf der Baustoff-Steine-Erden-Industrie an Erneuerbaren Energien im Zieljahr 2045
Ansprechpartner
Adam Aach, Koordinator Energiepolitik
adam.aach@bvbaustoffe.de

Wettbewerbsfähige Energiekosten

Auch knapp zwei Jahre nach dem Ende russischer Gaslieferungen nach Deutschland liegen die Energiekosten deutlich über dem Vorkrisenniveau. Ein Rückgang ist aufgrund des hohen Anteils der CO2-Besteuerung am Strompreis, der Brennstoffpreise sowie steigender Netzkosten nicht absehbar. In Zeiten einer angespannten Haushaltslage ist damit auch die Fortführung bestehender Kompensationen für die industrielle Produktion in Zeiten einer angespannten Haushaltslage keineswegs sicher. Für Teile der Baustoff-Steine-Erden-Industrie kann sich dies existenzbedrohend auswirken. Um wettbewerbsfähig Baustoffe herstellen zu können, bedarf es ausreichender Mengen an Energie zu kostengünstigen Preisen. Die Unternehmen setzen zwar Maßnahmen zur Steigerung der Energieeffizienz um. Dennoch wird durch die Elektrifizierung der (erneuerbare) Strombedarf erst einmal stark ansteigen: Allein für eine klimaneutrale Zement- und Kalkherstellung wird sich dieser nahezu vervierfachen– von 4,7 TWh auf rund 17 TWh in 2045. Die derzeitige Entwicklung der Energiekosten läuft dem jedoch zuwider: Derzeit ist Strom in Deutschland noch fast dreimal so teuer wie Erdgas. Zudem ist der perspektivische Zugang zu Wasserstoff zu wettbewerbsfähigen Preisen für eine erfolgreiche Transformation unverzichtbar. Der Bedarf der Steine-Erden-Industrie wird schätzungsweise von 1 TWh im Jahr 2030 auf 8 TWh im Jahr 2045 ansteigen.

Das Strompreispaket der Bundesregierung Ende 2023 war als Lösung zwar gut gedacht, hat aber nach Anpassungen im Zuge der Haushaltskrise zu kaum Entlastungen geführt. Kostentreiber beim Strom sind in erster Linie die Stromnebenkosten, über die Stromabnehmer den (Aus-)Bau der Netze, Speicher und Reserveleistung finanzieren. Diese sind zuletzt deutlich gestiegen. Der ursprünglich im Strompreispaket enthaltene Ausgleich der angestiegenen Netzentgelte wurde gestrichen, sodass für die Baustoff-Steine-Erden-Industrie mit einer Mehrbelastung von ca. 240 Mio. Euro pro Jahr zu rechnen ist. Darüber hinaus steht die Versorgungssicherheit mit Strom unter Druck: In „kalten Dunkelflauten“ mit niedriger Erzeugung aus erneuerbaren Quellen sind wir auf steuerbare Leistung angewiesen. Dagegen soll die Kraftwerkstrategie der Bundesregierung helfen, deren bisherige Maßnahmen jedoch nicht weit genug gehen, nicht beihilferechtlich genehmigt sind und keine ausreichende Finanzierung gewährleisten.

Energie- und CO2-Infrastrukturausbau

Bereits heute investiert die Branche massiv in eine stufenweise Umstellung der Energieversorgung auf nachhaltige Biomasse, Wasserstoff oder erneuerbaren Strom. Für die Steine-Erden-Sektoren mit schwer vermeidbaren, rohstoffbedingten Emissionen oder solchen, in denen abfallbasierte Brennstoffe zum Einsatz kommen, führt kein Weg an der Abscheidung, dem Transport und der Nutzung bzw. Speicherung von CO2 (CCU/S) vorbei. Der Aufbau einer CO2-Transportinfrastruktur in Deutschland ist dafür essenziell und muss bis spätestens 2035 gelingen, andernfalls drohen noch höhere Produktionskosten im Zuge steigender CO2-Preise. Viele Unternehmen stehen bereits mit zahlreichen Projekten in den Startlöchern. Was fehlt, ist – neben der Transportinfrastruktur selbst –der notwendige Rechtsrahmen. Dieser muss noch in 2024 geschaffen werden, um wichtige Investitionsentscheidungen rechtzeitig treffen zu können. Dafür braucht es Planungssicherheit. Mit den Eckpunkten der Carbon Management Strategie und einer ersten Novelle des Kohlendioxid-Speicherungsgesetzes hat das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz die ersten Weichen gestellt. Nun kommt es auf eine schnelle Umsetzung und Anwendung dieser Regelungen an. Damit einher gehen signifikant beschleunigte Planungs- und Genehmigungsverfahren für den Anlagenumbau. Hier braucht es deutlich mehr Tempo, um die Voraussetzungen für eine klimaneutrale Produktion zu schaffen.

„Ohne CCS können wir unmöglich die Klimaziele erreichen.“
Dr. Robert Habeck, Bundeswirtschaftsminister

Dies gilt auch für den Zubau erneuerbarer Energien. PV-Anlagen auf Flächen in Sand- und Kiesgruben sowie auf Baggerseen und in Steinbrüchen etwa können schon während der Gewinnung sowie im Zuge der Nachnutzung erneuerbaren Strom produzieren und stehen dabei nicht in Konkurrenz zu anderen Nutzflächen. Das Sparpotenzial ist enorm und größere Anlagen können neben der Eigenversorgung sogar anliegende Gemeinden mit Energie versorgen.

Investitionsanreize und Planungssicherheit

Förderprogramme sind wichtig, um die Unternehmen der Steine-Erden-Industrie auf dem Weg zu mehr Klimaschutz und Energieeffizienz zu unterstützen. Der Finanzierungsspielraum der Bundesregierung in der Energie- und Klimapolitik wurde durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts im vergangenen Herbst jedoch erheblich eingeschränkt: Der Wirtschafts- und Stabilisierungsfonds (WSF) wurde aufgelöst, der Klima- und Transformationsfonds (KTF) stark gekürzt – mit spürbaren Folgen für die zentralen Förderprogramme zur Transformation der Industrie: Die für die Dekarbonisierung wichtigen Klimaschutzverträge oder die Bundesförderung Industrie und Klimaschutz gehen verzögert und mit weniger finanziellen Mitteln ausgestattet in die Ausschreibungsphase.

Im Wissen um die aktuelle Unsicherheit bzgl. der Umsetzung der genannten industriepolitischen Maßnahmen der Bundesregierung setzt sich der bbs im Schulterschluss mit anderen energieintensiven Industrien (EID) für eine ausreichende Finanzierung auch unter den geänderten Rahmenbedingungen ein. Mit Blick auf die anstehenden massiven Investitionen in die Dekarbonisierung der Industrie, die Infrastruktur sowie die Schaffung wettbewerbsfähiger Energiepreise ist es nun die Aufgabe der Bundesregierung, eine klare Perspektive für die künftige Finanzierung der geplanten Maßnahmen aufzuzeigen.

— Veröffentlicht im Juni 2024 | FOTO: NRW.Energy4Climate

Links

  bbs-Stellungnahme zu Carbon Management Strategie und Kohlendioxid-Speicherungsgesetz
  Website „Energieintensive Industrien“
  Website „Initiative Energieeffizienz- und Klimaschutznetzwerke"

Botschaften

Sicherung der industriellen Produktion durch wettbewerbsfähige Energieversorgung

Ausreichend grüne Energie für eine erfolgreiche Transformation

Vollständig klimaneutrale Produktion nur mit CCU/S möglich
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