Allianz aus Gewerkschaften und Industrieverbänden fordern Brückenstrompreis
Deutschland braucht schnell die Entscheidung für einen wirksamen Brückenstrompreis. Das fordern die Verbände und Gewerkschaften der energieintensiven Industrien sowie der DGB. Diese Organisationen haben sich in dieser Woche zu einer Allianz pro Brückenstrompreis zusammengeschlossen. Die Mitglieder der Allianz vertreten insgesamt mehr als 1,1 Millionen Beschäftigte in über achttausend Unternehmen. Insgesamt hängen laut einer aktuellen Kurzstudie bis zu 2,4 Mio. Arbeitsplätze und gut 240 Mrd. Euro Wertschöpfung an den Unternehmen den energieintensivsten Branchen. Sie sichern Bund, Ländern und Kommunen mit jährlich rund 90 Milliarden Euro Steuerzahlungen und Sozialversicherungsbeiträgen hohe Einnahmen.
Die Mitglieder der Allianz sprechen sich für eine schnelle Lösung der derzeitigen Debatte um einen Brückenstrompreis aus. Es sei „fünf vor zwölf“ für die energieintensiven Industrien. Längst drohten Verlagerungen, Standortschließungen und der Verlust von Arbeitsplätzen.
Gemeinsam bekennen sie sich zum Industriestandort Deutschland und der Transformation zu einer klimaneutralen Produktion. Strom werde dabei immer wichtiger. Bis dieser in ausreichenden Mengen aus erneuerbaren Energien zur Verfügung stehe, sei ein wettbewerbsfähiger, zeitlich begrenzter Brückenstrompreis dringend notwendig. Nach monatelangem Hickhack müsse nun eine Entscheidung für die Zukunft der Industrie in Deutschland getroffen werden. Vor allem der Bundeskanzler müsse klar Stellung beziehen.
In gemeinsamen Schreiben an politisch Verantwortliche in Bund und Ländern kündigte die Allianz an, in den kommenden Tagen und Wochen das Gespräch mit Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten, Mitgliedern des Kabinetts sowie Abgeordneten in Bund und Ländern zu führen.
Dr. Matthias Frederichs, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V. (bbs): Ohne wettbewerbsfähige Strompreise für die industrielle Produktion gefährden wir nicht nur den Wohlstand des Landes, sondern auch unsere Anstrengungen in die Transformation. Wer die Energie-, Verkehrs- und Bauwende umsetzen und regionale Wertschöpfungsketten erhalten will, muss gerade in Krisenzeiten einen klar definierten Rahmen für Planungs- und Investitionssicherheit vorlegen. Ein solches Umfeld ist zwingend auf einen Brückenstrompreis und die Fortführung des Spitzenausgleichs angewiesen.
Weitere Statements der Vertreter der Allianz pro Brückenstrompreis
Franziska Erdle, Hauptgeschäftsführerin WirtschaftsVereinigung Metalle e.V.: Die NE-Metallindustrie befindet sich aufgrund der hohen Strompreise in einer äußerst schwierigen Situation. Einige Unternehmen mussten bereits ihre Produktion stark drosseln bzw. ganz einstellen. Die Politik muss dringend vom Diskutieren ins Handeln kommen und einen Industrie- bzw. Brückenstrompreis einführen. Andernfalls droht der unwiderrufliche Verlust von transformationsrelevanter Industrie in Deutschland und damit eine Zunahme der Abhängigkeiten in der Grundstoffversorgung, insbesondere von China.
Yasmin Fahimi, Vorsitzende Deutscher Gewerkschaftsbund: Die Bundesregierung muss jetzt die Weichen stellen, damit Deutschland ein erfolgreiches und klimaneutrales Industrieland wird. Hochwertige Industriearbeitsplätze und starke industrielle Wertschöpfung wird es auch in Zukunft geben müssen. Dafür braucht die Industrie endlich Verlässlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit beim Strompreis. Allerdings nicht ohne sich dabei auch zu Standort- und Tariftreue zu bekennen. Bei allen Anstrengungen der Bundesregierung: wir dürfen jetzt nicht auf halber Strecke stehen bleiben. Die Bundesregierung muss ihren Ankündigungen daher Taten folgen lassen und den Brückenstrompreis zügig umsetzen. Abwarten können wir uns schlicht nicht leisten.
Jörg Hofmann, Erster Vorsitzender IG Metall: Die aktuell hohen Energiekosten, und die Tatsache, dass Deutschland mit die höchsten Industriestrompreise in Europa aufweist, verlangen faire Lösungen. Anderenfalls drohen die Stahlerzeugung, die Aluminiumindustrie und weitere energieintensive Branchen eher früher als später aus Deutschland zu verschwinden. Die Folgen dessen für die gesamte deutsche Industrie wären fatal. Aus Sicht der IG Metall muss ein Brückenstrompreis folgende Aspekte beinhalten: Eine Beschränkung auf die energieintensive Industrie, die im internationalen Wettbewerb steht, eine zeitliche Befristung verbunden mit einer konkreten Transformationsperspektive zum Bezug günstiger regenerativer Energie, um Mitnahmeeffekte zu verhindern sowie - uns als Gewerkschaft besonders wichtig - Investitionen der geförderten Unternehmen in die Transformation, Standortgarantien und Verpflichtung zur Tariftreue.
Bernhard Osburg, Präsident Wirtschaftsvereinigung Stahl: Langfristig ist das Ziel eine marktwirtschaftliche, stabile und wettbewerbsfähige Versorgung mit grünem Strom und Wasserstoff. Bis es so weit ist, brauchen wir als energieintensive Unternehmen einen zeitlich begrenzten Brückenstrompreis, weil unsere Stromkosten gerade im internationalen Vergleich deutlich zu hoch liegen. Das gilt umso mehr für die Dekarbonisierung, die wir jetzt mit Riesenschritten vorantreiben - günstige Energie wird zum entscheidenden Faktor für das Gelingen der Transformation.
Dr. Johann Overath, Hauptgeschäftsführer Bundesverband Glasindustrie e.V.: Die Glasindustrie will bis zum Jahr 2045 klimaneutral produzieren. Dazu wird derzeit an zwei Technologien geforscht, für die Strom aus Erneuerbaren Energien zur Verfügung stehen muss: die Elektrifizierung der Glaswannen und der Einsatz von Wasserstoff. Bis genügend Grünstrom zu wettbewerbsfähigen Bedingungen zur Verfügung steht, brauchen wir einen Industriestrompreis, denn der Stromverbrauch wird durch Dekarbonisierungsmaßnahmen zunächst steigen, da Strom die Basis sowohl für die Elektrifizierung von Teilprozessen in der Glasproduktion als auch für den Einsatz von Wasserstoff durch Elektrolyse ist.
Winfried Schaur, Präsident Die Papierindustrie e.V.: Für die Papierindustrie in Deutschland ist es schwierig, im internationalen Preiswettbewerb zu bestehen. Neben anderen stabilen Rahmenbedingungen muss endlich ein wettbewerbsfähiger Industriestrompreis als Brückenlösung eingeführt und die Beibehaltung des Spitzenausgleichs für 2024 garantiert werden. Gerade in der energieintensiven Papiererzeugung spielen eine bezahlbare und sichere Energieversorgung sowie deren langfristige Planbarkeit für Investitionsentscheidungen eine besondere Rolle.
Markus Steilemann, Präsident Verband der Chemischen Industrie e.V.: Unsere Industrie steht am Scheideweg. Das Haus brennt, und wir brauchen den Brückenstrompreis dringend als Löschwasser. Damit die vorhandene gute Substanz erhalten bleibt und wir mit voller Kraft die ökologische Transformation angehen können. Wir wollen in Zukunft ein runderneuertes Haus präsentieren und keine Ruine beklagen.
Michael Vassiliadis, Vorsitzender IG Bergbau, Chemie, Energie: Die Energiekrise setzt den Standort Deutschland unter Handlungsdruck: Wir dürfen eine hochentwickelte Industrie mit Hunderttausenden gut bezahlten Arbeitsplätzen nicht einfach aufgeben – wir müssen sie intelligent weiterentwickeln. Einen Exodus der energieintensiven Betriebe können wir uns weder gesellschaftlich, noch volkswirtschaftlich oder klimapolitisch leisten. Zu entscheidend sind sie für die Transformation der Industrie insgesamt. Jetzt gilt es, unsere Stärken zu stärken und die Rahmenbedingungen für die energieintensive Industrie wieder auf Augenhöhe mit denen anderer Wirtschaftsnationen zu bringen. Dazu gehört zuallererst ein fairer Strompreis. Von starken Energieintensiven profitiert die komplette industrielle Wertschöpfungskette – und damit schlussendlich das gesamte Land.
Mitglied der Allianz sind:
- Bundesverband Baustoffe – Steine und Erden e.V.
- Bundesverband Glasindustrie
- Deutscher Gewerkschaftsbund
- Die Papierindustrie
- IG BCE
- IG Metall
- Verband der Chemischen Industrie
- Wirtschaftsvereinigung Metalle
- Wirtschaftsvereinigung Stahl