Gefährdeter
Fortschritt
Leider nicht! Denn ein ähnliches Vorgehen sieht die EU-Kommission im Bereich harmonisierter Bauprodukte vor. Seit 2018 sind praktisch keine europäisch harmonisierten Bauproduktnormen mehr im EU-Amtsblatt zitiert worden. Über 100 Bauproduktnormen wurden in der Zwischenzeit entwickelt bzw. weiterentwickelt, sind aber nicht rechtskräftig eingeführt worden. Damit öffnet sich die Schere zwischen dem tatsächlichen Stand der Technik und dem Stand der Normung täglich weiter. Trotz aller Bekenntnisse zur besonderen Bedeutung der Normung blockiert die EU-Kommission auf unbestimmte Zeit den technischen Fortschritt im Bausektor.
Parlamentarische Staatssekretärin (BMWK)
b.schaefer@bvbaustoffe.de
Revision der Bauprodukte-Verordnung
Gegen das Votum der Stakeholder hat sich die EU-Kommission für eine komplette Neufassung der Bauprodukte-Verordnung entschieden und Ende März 2022 einen entsprechenden Vorschlag vorgelegt. Dieser umfasst zahlreiche Neuerungen, wie die Einbeziehung der Installation von Bauprodukten, die Verwendung gebrauchter Produkte, die Einführung einer zusätzlichen EU-Konformitätserklärung und die Verpflichtung zur Angabe von Umwelt- und Nachhaltigkeitsmerkmalen bei Bauprodukten. Kern der neuen Verordnung ist die Einführung einer „harmonisierten Zone“, in der die EU-Kommission alleinige Regelungskompetenz hat. Die europäischen Normungsorganisationen sollen weiterhin die technischen Inhalte zuarbeiten, die EU-Kommission behält sich aber vor, durch delegierte Rechtsakte jederzeit auch inhaltlich eingreifen zu können.
Was im Entwurf der neuen Bauprodukte-Verordnung bisher nicht geregelt ist, ist eine Vorgabe, wie harmonisierte Normen zukünftig gestaltet sein müssen, um wieder im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden zu können. Auch zum Abbau des bestehenden Normenstaus gibt es weder im Entwurf noch unabhängig davon einen Vorschlag der EU-Kommission.
Reaktionen
Der bbs hat ebenso wie zahlreiche andere Verbände auf die Defizite des Verordnungsentwurfs hingewiesen und auf Änderungen gedrängt. Allerdings wurde die Industrie nur im Rahmen unverbindlicher Konsultationen beteiligt. Ausschlaggebend werden die Vorschläge sein, die EU-Rat und EU-Parlament durch ihre Änderungsbeschlüsse einbringen. Die bisherigen Änderungsvorschläge, zum Beispiel vom Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz greifen zwar einige Bedenken der Industrie auf, weitere zentrale Bedenken aber haben keinen Eingang gefunden. Insbesondere die Forderung nach einer Brückenlösung, die dazu dienen soll, das bestehende Normenwerk aktuell zu halten, bis die neuen Normen auf Basis einer revidierten Bauprodukte-Verordnung vorliegen, wurde noch nicht aufgegriffen. Der bbs spricht sich dafür aus, die Industrie stärker in den Entwicklungsprozess einzubeziehen.
Weiteres Verfahren
Es ist davon auszugehen, dass ab Herbst 2023 ein Trilogverfahren beginnt, in dem sich EU-Kommission, -Rat und -Parlament auf einen Kompromiss verständigen sollen. Die EU-Kommission selbst geht davon aus, dass die neue Bauprodukte-Verordnung 2027 in Kraft treten könnte, wenn bis dahin wenigstens für 10 Produktbereiche die Anforderungen an die harmonisierten technischen Spezifikationen vorliegen. Die vollständige Umsetzung für alle Produktbereiche soll aber auch nach aktuellen Schätzungen weiterhin erst im Jahr 2045 vollzogen sein. Der bbs wird weiterhin auf die Missstände in der Normung hinweisen, so zum Beispiel auch im 2023 vom BMWK neu gegründeten Strategieforum für Standardisierung.
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Botschaften
‒ Brückenlösung für Umstellung auf neue Bauprodukte-Verordnung schaffen
‒ Überforderung der Industrie durch neue Vorgaben vermeiden
‒ Digitalisierung im Bauwesen stärken